Ausgelassen tanzende Musikanten und Musikantinnen, gespannt wartende Teilnehmer*innen und laute DJ-Musik erwartete uns, als wir den Konzertsaal gegen 17:45 Uhr für die Preisverteilung des Flicorno d’Oro betraten. Der Saal war voll freudiger Erwartung auf die baldige Verkündung des Ergebnisses der letzten Monate Probenarbeit und die Stimmung sollte bald umschlagen in eine ausgelassene Siegesfeier des Erfolgs. „Dieser Wettbewerb war das Beste, das unserem Verein passieren konnte“, hieß es später aus den Reihen unserer Musikant*innen.
Nach zwei Jahren Zwangspause mit kaum konzertanten Auftritten hatte Kapellmeister Dietmar Rainer die Idee der Teilnahme am internationalen Blasmusikwettbewerb Flicorno d’Oro in Riva del Garda und traf damit gleich auf offene Ohren beim Vereinsobmann Andreas Pircher.
Trotz anfänglich gemischter Gefühle und dem Einwand einiger MusikantInnen, man solle lieber „gemütlich“ ins wieder aufblühende Vereinsleben starten, waren die Argumente für die Teilnahme überzeugend. Mit der Idee auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten zu können und der gleichzeitigen Unsicherheit, ob das traditionelle Frühjahrskonzert im Frühling umsetzbar wäre, entschied sich der Vereinsausschuss für die Teilnahme. Außerdem war die Vorbereitung auf den Wettbewerb eine ideale Möglichkeit, um nach zwei Jahren Improvisation wieder eine klare Struktur in den Probenbetrieb zu bringen.
Für Kapellmeister Dietmar Rainer stand selbstredend das Musikalische im Vordergrund: „Musiker*innen gewöhnen sich in der Regel schnell an genaues und sauberes Musizieren, aber auch an das Gegenteil. In der Vorbereitung auf einen Wettbewerb wird die angestrebte Perfektion zur Normalität und die positive Erfahrung damit wirkt sich langfristig auf den musikalischen Anspruch jedes einzelnen Mitglieds aus.“
Zudem war es uns wichtig die gemeinsame Freude am Musizieren wiederzufinden und die Gemeinschaft unter den Mitgliedern durch regelmäßiges Proben und eine an den Wettbewerb anschließende Feier zu stärken. Die Sorge des Scheiterns stand natürlich im Raum, besonders mit der Erinnerung an die letzte Teilnahme am Flicorno d’Oro im Jahr 2008, welche für viele enttäuschend war.
Nach einiger Überzeugungsarbeit unter den Mitgliedern begann Anfang Februar die Probenphase in kleinen Gruppen, teilweise unter der Leitung von Referenten für die jeweiligen Register. Ab Mitte März fanden die ersten Proben der gesamten Kapelle statt. Durch die Konzentration auf das Pflichtstück der Categoria Prima „Leonardo“ von Otto M. Schwarz und das Selbstwahlstück „Inspiration“ von Jan de Haan hatten wir die Möglichkeit uns Zeit für musikalische und technische Perfektion zu nehmen.
Teilweise gestaltete sich die Probenzeit als schwierig, da immer wieder Musikant*innen krankheitsbedingt oder aus Studiengründen fehlten. Zu der sowieso schon vorhandenen Anspannung kurz vor dem Wettbewerb kam hinzu, dass mehrere Mitglieder an Corona erkrankten und auch im persönlichen Umfeld des Kapellmeisters Fälle zu verzeichnen waren. Nach unzähligen Telefonaten gelang es Rainer die drei ausfallenden Musikanten beim Wettbewerb kurzfristig durch junge Musikstudent*innen zu kompensieren. Dafür wurden für die Saxophone, die Hörner und die Schlagzeuger zwei Tage vor dem Wettbewerb eine zusätzliche Registerprobe eingeschoben. Die Anspannung war groß, ob es am Wettbewerbstag nicht noch eine böse Überraschung geben würde.
Glücklicherweise blieb diese aus und auch unser Kapellmeister war mit von der Partie, als wir am 10. April um 8:00 Uhr mit zwei Bussen in Richtung des bezaubernden Riva del Garda aufbrachen. Einige wenige Musikant*innen entschieden sich privat nach Riva zu fahren, was später noch für einige Spannung sorgen sollte.
Voller Vorfreude und guter Stimmung war es auch dieses Mal ein erhebender Moment, als man den Passo San Giovanni erreichte und den Gardasee erblickte. Mit dem kapellmeisterlichen Rat „Jedem das, was er braucht“ schlenderten wir nach der Ankunft gegen 10:30 Uhr durch das überlaufene Riva und suchten uns ein Cafe in der Sonne, um eine kleine Stärkung zu genießen. Gegen 12:30 Uhr trafen sich alle beim Bus für einen kleinen Mittagssnack. Anschließend begaben wir uns zum Centro Congressi, wo uns ein kleiner Raum für die Instrumente und Wertsachen zugewiesen wurde und die Möglichkeit bestand sich in einer großen Halle einzuspielen. Als alle auf der provisorischen Bühne saßen fiel auf, dass einige Stühle leer waren, es fehlten die 1. Oboe, Bassklarinette und eine Klarinette. Um 13:30 Uhr wurden wir über eine Feuertreppe weiter in einen zweiten, etwas kleineren Saal geführt. Die Anspannung und Aufregung stieg, besonders als wir erfuhren, dass die drei fehlenden Musikanten aufgrund eines Unfalls im Stau standen und wir wussten, dass die Parkplatzsituation in Riva katastrophal war. Dies im Hinterkopf machte sich einer unserer begleitenden Unterstützer auf, um die drei abzufangen und das Parken des Autos zu übernehmen, sodass sie sich umgehend zu uns in den Kongress begeben konnten. Um 13:55 Uhr kamen sie begleitet von Applaus endlich bei uns an und hatten noch fünf Minuten zum Einspielen. Ab 14 Uhr wurden wir nämlich in einen kleinen Raum begleitet, wo das Musizieren nicht mehr erlaubt war.
Unser Auftritt begann pünktlich um 14:20 Uhr in einem gut gefüllten Konzertsaal. „Unabhängig vom Ergebnis war es schön wieder gemeinsam auf der Bühne zu stehen und zu musizieren. Der Spaß und die gemeinsame Freude an der Musik standen im Vordergrund“, äußerte später ein Musikant. Diese Freude war auch im Anschluss spürbar, als das gelungene Konzert bei dem ein oder anderen Glas gemeinsam gefeiert wurde. Bereichernd war auch das Hören anderer Orchester und der Austausch mit Musikant*innen aus den unterschiedlichsten Gegenden Europas.
Die positive Stimmung wurde auch bei der Preisverleihung deutlich, als vor allem die Jungmusikant*innen ausgelassen durch den Saal tanzten. Unsere Jubelrufe wurden besonders laut, als verkündet wurde, dass die Musikkapelle Naturns mit 88,38 Punkten in der Categoria Prima den 4. Rang erreicht und damit insgesamt die fünfthöchste Punktezahl aller Kategorien erspielt hatte.
Nicht nur Kapellmeister Dietmar Rainer zeigte sich sehr zufrieden, sondern auch die Musikant*innen waren begeistert und stimmten gleich nach der Preisverleihung einige Lieder zum Feiern des Erfolgs an. Dieser wurde natürlich noch bei einem gemeinschaftlichen Fischessen in Arco ausgiebig gefeiert, bevor es gegen 23:00 Uhr wieder Richtung Heimat ging. Besonders schön zu sehen war, dass die Freude am gemeinsamen Musizieren und der Zusammenhalt auch auf die Jungmusikanten überging. Nach einigen kleineren Ansprachen von Seiten des Kapellmeisters und Obmanns beim Fischessen wurde das besonders deutlich als ein Jungmusikant abschließend in die Runde rief: „Nächstes Mal werden wir erster!“.
Schlussendlich kann der Wettbewerb nur als musikalische und gesellschaftliche Bereicherung für unseren Verein betrachtet werden. Als Schlusswort bleibt hier nur noch die Aussage einer Musikantin: „Flott wors!“
Julia Wellenzohn